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Komfort mit Schattenseiten

Am Abend bestellt, am nächsten Morgen da? Solch schnelle Warenlieferung wird unter anderem durch das DHL Hub ermöglicht, das 2008 in Schkeuditz bei Leipzig als das größte von insgesamt drei internationalen Frachtdrehkreuzen eröffnet wurde. Am Flughafen Leipzig/Halle arbeiten rund 6200 Menschen, davon 5700 bei DHL. Der Frachtfluganteil beträgt 82 Prozent. Geflogen wird vorwiegend nachts. Pro Nacht landen durchschnittlich 85 Flugzeuge, werden entladen und neu beladen und starten dann im Zwei-Minuten-Takt, zwischen 3 und 6 Uhr. Schätzungsweise 1,5 Mio. Menschen sind im Großraum Leipzig-Halle von nächtlichem Fluglärm betroffen. Entwicklung der Lärmbelastung der letzten 5 Jahre (2015-2019):  - 30% Anstieg der nächtlichen Starts und Landungen  - 35% Anstieg der besonders lauten und schadstoffintensiven Maschinen (Heavy). 95 % der nächtlichen Starts zwischen 00:00 und 05:00 Uhr erfolgten von der stadtnahen Südbahn. Die uneingeschränkte Betriebserlaubnis gilt nur für Expressfracht. Verladen wird aber die gesamte Fracht.

Klimaschäden

Laut CO2-Statistik des Länderarbeitskreis Energiebilanzen entfielen in Sachsen 2017 ca. 25% der CO2-Emissionen im Verkehrssektor auf den Luftverkehr. Hauptverursacher ist der Flughafen Leipzig-Halle. Strahltriebwerke schädigen in Reiseflughöhe das Klima mehr als die reinen CO2-Emissionen. Das Umweltbundesamt (UBA) gibt dafür einen Faktor (RFI) von 3,14 an. Eine Tonne Flugzeug-CO2 ist so klimaschädlich wie 3,14 Tonnen Auto-CO2. Daraus folgt: Der CO2 Ausstoß beträgt aktuell jährlich etwa 6,2 Mio. Tonnen, nach Ausbau 10 Mio. Tonnen. Das ist fast so viel wie das Kohlekraftwerk Lippendorf ausstößt und entspricht einem Klimaschaden von 2 Mrd. EUR. Das Umweltbundesamt berechnet aktuell die Klimafolgekosten mit 201 EUR/Tonne CO2.. Der nach dem LTO-Zyklus (Verfahren zur Ermittlung der Triebwerksemissionen) im direkten Umfeld des Flughafens (bis ca. 10km) verursachte CO2-Ausstoß liegt aktuell bei ca. 130.000 Tonnen/Jahr. Das entspricht etwa dem Abgasausstoß von 90.000 Mittelklasse-PKWs. Daher gilt der Flughafen LEJ als der klimaschädlichste Flughafen Deutschlands.

Nächtliche Lärmbelastung

Dabei gehen Dauerlärm und Lärmspitzen weit über die von der Weltgesundheits-organisation (WHO) empfohlenen Schallpegel hinaus: Der nächtliche Dauerlärm liegt im Nachtlärmgebieten, wie etwa Schkeuditz, Schkopau, Kabelsketal bei bis zu 60 Dezibel, mit Lärmspitzen über 80 Dezibel. Außerhalb des Nachtlärmgebietes, z.B. in den nördlichen Orts- und Stadtteilen von Leipzig, Halle-Ost, liegt dieser bei 50 Dezibel, mit Lärmspitzen von 70 Dezibel und mehr. Die WHO empfiehlt, dass der Nachtfluglärm auf weniger als 40 dB(A) reduziert werden soll. Das Umweltbundesamt fordert ein generelles Nachtflugverbot für stadtnahe Flughäfen. Die südliche Landebahn direkt an Leipzig an.

Die Zerstörung hat System

DHL ist Teil eines Wirtschaftssystems, dass auf rücksichtslose Naturaneignung angewiesen ist. Der Kapitalismus funktioniert nur durch unendliches Wachstum - etwa durch Ausbauvorhaben. DHL ist dabei nur ein Player in einem Spiel, dessen Regeln stetige Expansion und die Maximierung von Profiten lauten. Auf Mensch und Natur kann dabei nur unzulänglich Rücksicht genommen werden - das Profitstreben führt zu stetiger Einverleibung immer neuer Bereiche. Der globalisierte Kapitalismus und die Klimakrise wirken sich dabei besonders negativ auf Menschen im globalen Süden aus. Um der Klimakrise etwas entgegen zu setzen, muss sich alles ändern: Nicht nur die ungerechte Verteilung und der kolonialistische Zugriff auf Ressourcen, sondern die Vorrangstellung von Wachstum und Produktion. Mit kapitalistischer Ausbeutung und Zerstörung kann es keine Zukunft für Alle geben.

Gesundheitsrisiken

Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Schlafstörungen, Krebserkrankungen sowie Entwicklungsstörungen bei Kindern sind die wichtigsten Gesundheitsschäden, die im Umfeld von Flughäfen und vor allem bei nächtlichem Fluglärm vermehrt auftreten. Der menschliche Organismus reagiert im Schlaf auf Lärm viel empfindlicher als im Wachzustand. Bereits ein Schallpegel ab 35 Dezibel führt beim schlafenden Menschen zu vermehrter Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol und Adrenalin.

Kaum gehörte Bürger*innen

Rund ein Dutzend Bürgerinitiativen kämpfen, seit dem die damalige sächsische Regierung DHL mit vorteilhaften Konditionen nach Sachsen bat, mit Petitionen, Demonstrationen und auf dem Rechtsweg gegen die Gesundheitsbeeinträchtigungen. Zur Zeit werden sie wieder hörbarer, denn die Pläne für einen weiteren Ausbau des Flughafens wurden im Sommer 2020 bei der Landesdirektion Sachsen eingereicht. Es gab inzwischen mehrere Demonstrationen zusammen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung. Der Stadtrat Leipzig beschloss mehrere Anträge gegen den Ausbau. Eine Petition an den sächsischen Landtag erreichte beinahe 11.000 Unterschriften, gegen das Planänderungsverfahren wurden rund 6000 Widersprüche eingelegt. Träger öffentlicher Belange erstellten Gutachten, die dem Planänderungsverfahren grobe Mängel bescheinigt.

Noch mehr Lärm?

Unter anderem sollen die derzeit 60 Stellplätze auf 96 erweitert werden. Die Anzahl der Starts und Landungen würde von 79.000 im Jahr 2019 auf 118.000 im Jahr 2032 ansteigen (1). Momentan starten und landen rund 85 Flugzeuge pro Nacht. Da die Start- und Landeentgelte im deutschlandweiten Vergleich im Dumpingbereich angesiedelt sind, dürfen hier Maschinen fliegen, die besonders alt, schwer und laut sind, wie die A 124, Baujahr 1982. Mit dem Ausbau wird erwartet, dass besonders laute Großmaschinen zunehmen werden.

Defizite auf Kosten der Allgemeinheit

Die Mitteldeutsche Flughafen AG befindet sich komplett in öffentlicher Hand. Gesellschafter sind Sachsen mit 72,29 Prozent, Sachsen-Anhalt 18,54 Prozent, Leipzig 2,1 Prozent, Dresden 1,87 Prozent, Halle 0,2 Prozent. Verluste 2005- 2014 570 Mio. EUR laut Wirtschaftsmagazin Capital (2), 2015-2019 671,2 Mio. EUR (3). Der Ausbau soll rund 500 Mio. EUR kosten, aus Rücklagen und Krediten erfolgen und geht über Abschreibungen wieder zu Kosten der Steuerzahler*innen. Nach Ausbau kämen die 2 Milliarden Euro Klimafolgekosten jährlich hinzu.

Wirtschaftsmotor der Region?

Sicher war der Flughafen inklusive Zuliefererfirmen ein Wirtschaftsfaktor im Raum Leipzig. Als sich die sächsische Regierung um die Ansiedlung des in Brüssel unerwünschten Frachtflugunternehmens bemühte, sah der Arbeitsmarkt komplett anders aus als heute. Heute werden händeringend Arbeitskräfte gesucht, auch im Logistik- und Dienstleistungsbereich. Insider berichten, dass DHL Hub schon jetzt Hunderte Arbeitskräfte aus anderen Ländern wie Portugal einfliegt. Eine Wirtschaft, die Raubbau an Gesundheit und Gesundheit betreibt, ist keine starke Wirtschaft. Wir brauchen Entscheidungen, die nicht auf kurzfristige Profite setzen, sondern langfristige, nachhaltige Entwicklung ermöglicht. In Bezug auf Arbeitsplätze heißt das, zukunftsfähige, qualifizierte, gut bezahlte Arbeit, die weder der eigenen Gesundheit, noch der anderer, noch dem Klima schadet.

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